„Urban Art ist nicht nur Graffiti“

Jens Besser, Streetart-Künstler, Dresden

Ansichten aus dem Inneren der Street-Art-Szene – ein Gespräch mit Jens Besser.

Die Haltung der Bahn zu Street Art ist janusköpfig: Einerseits gibt das Unternehmen jährlich 50 Millionen Euro aus, um Graffiti zu beiseitigen; andererseits nutzt die Bahn bei ihren Werbekampagnen gezielt das coole Image der Graffiti.
Ein weiterer Punkt: Als der Dresdner Stadtrat im November 2014 über ein Konzept zum weiteren Umgang mit Urban Art abstimmte, wurde dies durch den Ausschuss für Allgemeine Verwaltung, Ordnung und Sicherheit bearbeitet und nicht etwa durch die Ausschüsse für Kultur oder Stadtentwicklung.

Jens Besser, Initiator der CityBilder in der Friedrichstadt, setzt sich dafür ein, dass Street Art als in der Tradition der Wandmalereien stehend begriffen und nicht kriminalisiert wird.

Wie sind Deine Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit der Stadt Dresden?

Jens Besser: Ich finde die Strategie der Stadt Dresden in Bezug auf Kunst im öffentlichen Raum sehr undurchsichtig. 2006 habe ich mit der Serie „urban script continues“ begonnen und mache kostenfreie Führungen und Vorträge. In dieser Zeit sind bisher nur zwei Leute von der Stadtverwaltung gekommen, um sich darüber zu informieren, was wir eigentlich machen. Müssten sie sich nicht eigentlich dafür interessieren, was Urban Art ist? In anderen Städten, vor allem im Westen, werden darüber Seminare veranstaltet – da wird richtig Geld in die Hand genommen.

Welche Stadt ist denn ein positives Gegenbeispiel?

Jens Besser: Die fortschrittlichste Stadt in Bezug auf Urban Art ist Lissabon. Dort ist ein größeres Bewußtsein für diese Kunstform vorhanden. Es gibt da eine städtische Beauftragte, die für die kunsthistorische Aufarbeitung der Street-Art-Werke verantwortlich ist. Es gibt sogar städtische Publikationen über Street Art, auch über illegale Werke. Urban Art wird immer einen illegalen Teil haben, und dieser sollte genauso respektiert werden.

Es gibt in Dresden inzwischen einige legale Flächen für Graffiti. Was ist der Anreiz für illegale Arbeiten?

Jens Besser: Dieser sogenannte „Kick“, verbotene Dinge zu tun, ist es für mich eigentlich nicht. Der einzige Grund, warum ich noch ungenehmigt male, ist, dass mich das Einholen von Genehmigungen nervt. Darum spreche ich auch nicht von legal oder illegal, sondern von „genehmigt“ und „ungenehmigt“. Denn im Grunde ist es nur eine Geldfrage. Ich könnte mir einen Zug mit Außenwerbefläche oder eine Straßenbahn mieten. Das würde eben eine Stange Geld kosten. Das habe ich aber nicht.

Es gibt doch auch den Trend, dass Unternehmen für Graffiti-Projekte bezahlen.

Jens Besser: Die meisten Graffitikünstler wollen keine Werbebilder malen. Wenn schon ein Auftragswerk, dann sollte es ehrlich sein. Graffiti hat etwas Rebellisches, da muss man es doch nicht verbiegen, niedlich machen und sich anbiedern. Das ist nicht gut für die Szene insgesamt.

Was wünschst Du Dir von der Stadt?

Jens Besser: Es müsste mehr legale Flächen geben und mehr Flächen für Street-Art-Künstler, die nicht Graffiti sprühen, sondern beispielsweise Plakate kleben oder Murals malen. Da sind genügend Flächen in Dresden, die geeignet wären: Tunnel, Litfaßsäulen, Schallschutzwände.
Ein positives Beispiel ist die Wandbemalung an der Grundschule auf der Görlitzer Straße, die vom Kulturamt öffentlich ausgeschrieben wurde.
Wichtig wäre auch die Vermittlung des künstlerischen Hintergrundes von Street Art. Das findet in Dresden nicht statt, obwohl es einige Institutionen wie die Hochschule für Bildende Künste oder das mediencollege gibt, die auf diesem Gebiet helfen könnten.
Die Stadt könnte auch eine statistische Erhebung in Auftrag geben, ob Graffiti für die Bevölkerung tatsächlich ein Problem sind. Das Argument ist immer, dass Privateigentum beschädigt wird. Aber wir bemalen doch keine Autos oder Eigenheime. Wenn in der Stadt Hauswände besprüht werden, dann hat das einen anderen Grund. Die Umgebung hier ist urban, die Sichtweisen und Wahrnehmungen sind ganz anders.

Vielen Dank für das Gespräch.


[erschienen im DRESDNER Kulturmagazin 6/2015]

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