Deutsches Trauerspiel – ein Pleonasmus?

Die Nibelungen am Schauspielhaus Dresden

„Die Nibelungen“ von Friedrich Hebbel am Schauspielhaus Dresden. Eine kurze Aufführungsbesprechung, erschienen im DRESDNER Kulturmagazin 10/2015.


Alle kämpfen: Siegfried gegen die Burgunder, Siegfried mit den Burgundern gegen Brunhild, Kriemhild gegen das Verlieben, der Zuschauer mit seinem Sitzfleisch. Himmel, die Nibelungen – selbst in der verkürzten Version dauert das alles viel zu lange. Oder liegt es gerade an der Verkürzung des Stoffes, dass alles so langwierig erscheint? Steckt in der Geschichte von Siegfried, Brunhilde und Hagen von Tronje mehr, oder ist es tatsächlich nur diese Seifenoper, auf die Regisseur Sebastian Baumgarten den Stoff zusammengestrichen hat?

Vielleicht ist das Stück einfach schon zu oft auf die Bühne gekommen, vielleicht kennen Theaterregisseure und Theaterkritiker schon zuviele Versionen der Geschichte. Wem die Geschehnisse um Siegfried, Kriemhild und Hagen nichts sagen, dem sei die Inszenierung am Schauspielhaus anempfohlen. Insbesondere in der ersten „Halbzeit“ vor der Pause werden die Ereignisse sehr geradlinig und schnörkellos nacherzählt. Das macht alles sehr übersichtlich und auch ein wenig langweilig, da die Geschichte im Stile eines Fernsehspiels aus den frühen 80er Jahren daherkommt. Dennoch verstecken sich subtile Feinheiten unter der Oberfläche. Der einzige wirklich „starke“ Mann wird gespielt von Rosa Enskat, die Mutter Ute, schwach und senil, verkörpert von Jan Maak. Das passt auch zur sonstigen Lesart: die Männer sind schwach, dumm und prollig, die Frauen stark und rachsüchtig. Brunhild ist die Schönste überhaupt mit ihren langen Haaren.

Nach der Pause ein großer Schnitt. Wirkte vorher alles wie Klamauk – leicht und bunt -, wird es jetzt dunkel und dramatisch. Ganz so, wie man sich die Nibelungen vorstellt. Gab es vorher zuviel von allem: zuviel Farbe, zuviele Filmeinspielungen, zuviel Musik – reduziert sich nun alles auf den schwarzen Konflikt zwischen Kriemhild und den Burgundern. Der Akzent liegt dabei auf der sprichwörtlichen Nibelungentreue, also dem Festhalten an einer überholten Überzeugung wider besseres Wissen. In der Tat: ein Trauerspiel. Aber ist „deutsch“ ein Synonym für traurig?

Baumgarten verwendet viele Chiffren, und manche davon sind vermutlich nur Apple-Usern verständlich. Warum sieht Dietrich von Bern wie Steve Jobs aus? Der große germanische Held – dargestellt als Amerikaner, der am Hofe des Russen (!) Etzel Zuflucht sucht und sich mit seltsamen Drehungen und Handbewegungen über die Bühne bewegt. Und wann wurden die Nornen eigentlich zum Normcore?

Kurzes Fazit: Eine widersprüchliche Inszenierung, über die sich die Fachleute richtig schön echauffieren können. Sehenswert allemal!


Foto: Matthias Horn

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